Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Glaube an eine Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen schwach. Dennoch wurden Frankophobie und die Deutsch-französische Erbfeindschaft nach dem Krieg auch am UEG grundlegend hinterfragt. Auf Grundlage des Élysée-Vertrags von 1963 wurden die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland über die Jahre gefördert, wodurch sich auch am UEG Merkmale einer Annäherung feststellen lassen.
Informationen über die Entwicklung der Deutsch-französischen Freundschaft liefert zum einen die zum 400-jährigen Jubiläum erschienene „Festschrift 1984“, zum anderen gibt ein Interview mit Carsten Tergast, Teilnehmer des Frankreichaustauschs des UEG im Jahr 1989, einen Einblick in die weitere Entwicklung. Auch ein Blick auf den heutigen Stand der Deutsch-französischen Freundschaft am UEG ist lohnenswert.
Französischunterricht am UEG
Charakteristisch für den Französischunterricht am UEG war, dass dieser in den ersten Jahren der Nachkriegszeit als zweite Pflichtfremdsprache angeboten wurde und Abiturprüfungsfach war. Seit dem Schuljahr 1953/54 stellte jedoch Latein wieder die einzige mögliche zweite Pflichtfremdsprache dar. Französisch war zu dieser Zeit lediglich Wahlfremdsprache. Erst ab dem Schuljahr 1971/72 konnte Französisch erneut als zweite Pflichtfremdsprache bzw. ab dem Schuljahr 1976/77 als Abiturprüfungsfach gewählt werden. Es lässt sich erkennen, dass das Ziel des Élysée-Vertrags, die Zahl deutscher Schüler, welche Französisch lernen, zu erhöhen, auch am UEG angestrebt wurde.
Erster Frankreichaustausch des UEG
In Zusammenhang mit der steigenden Beliebtheit des Französischunterrichts ab 1972 stieg auch das Interesse der Schüler, die französische Kultur durch persönliche Begegnungen kennenzulernen. Durch die Förderung von Austauschprogrammen entstand Anfang 1983 eine Verbindung mit dem Lycée Aristide Briand in Evreux in der Normandie. Das Interesse an dem bevorstehenden Frankreichaustausch war auf beiden Seiten groß. Der Austausch von 1983 war von verschiedensten Aktivitäten gefüllt, welche den Austauschschülern die französische bzw. deutsche Kultur näherbrachten. Noch im selben Jahr wurde das UEG offizielle Partnerschule des Lycée Aristide Briand. Die Beziehungen zwischen den beiden Schulen wurden im weiteren Verlauf durch die Austauschprogramme weiter gefördert.
Gezeichnete Karte des Wegs von Leer nach Evreux aus der „Festschrift 1984, 400 Jahre Ubbo Emmius-Gymnasium Leer“
Obwohl die Beteiligten den Austausch als „Testfall“ bezeichneten, wurde er sehr positiv aufgefasst. Den Beteiligten war hierbei die deutsch-französische Geschichte durchaus bewusst. So betiteln vier Schülerinnen und Schüler das Ereignis, dass diese aufgrund eines Streiks das Schloss Versailles nicht von innen besichtigen konnten, als „Streik in Versailles – Ossis in den Spiegelsaal?! Ein 1871 reicht[…].“ Hierbei wird auf die Proklamation des deutschen Kaiserreichs 1871 angespielt, welche im Schloss Versailles zur Demütigung der Franzosen stattfand. Die humorvolle Einbindung dieses zentralen Ereignisses der Deutsch-französischen Erbfeindschaft zeigt, dass die Schülerrinnen und Schüler sich der deutsch-französischen Geschichte bewusst waren, aber im Sinne der Deutsch-französischen Freundschaft offen für einen kulturellen Austausch waren.
Die Teilnehmer des Austauschs nach Evreux im Jahr 1984
Einblick in den weiteren Verlauf des deutsch-französischen Austauschprogramms des UEG
Nach 1983 wurde die Partnerschaft des UEG mit dem Lycée Aristide Briand weiter gefördert. Einblick in die Entwicklung des Austauschprogramms liefern hierbei die Aussagen von Carsten Tergast, der 1989 am Frankreichaustausch des UEG teilgenommen hat. Seine Aussagen, dass er den Austausch unvoreingenommen angetreten, allgemein ein Geschichtsbewusstsein für die Teilnehmenden keine große Rolle gespielt habe und seitens der Franzosen überwiegend positive Reaktionen auf die deutschen Austauschschüler aufkamen, zeigt, wie schnell sich die Deutsch-französische Freundschaft in kürzester Zeit zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt hat. Dennoch betont Carsten Tergast auch, dass die Deutsch-französische Freundschaft zu diesem Zeitpunkt trotz der Entwicklung der Jahre 1963 bis 1989 noch nicht gefestigt war. So erfuhr er durch eine Gruppe junger Franzosen Ablehnung in Form von Beleidigungen. Auch pflegte Carsten Tergast nach dem Austausch den Kontakt zu einem Mädchen, welches er während des Frankreichaustauschs kennengelernt hatte. Dieses spielte bei Thematisierung der deutschen Wiedervereinigung ab Herbst 1989 auf die sich mögliche ergebene Angst der Franzosen, die Wiedervereinigung könne den deutschen Nationalismus stärken, an.
Heutiger Stand der Deutsch-französischen Freundschaft am UEG
Heutzutage kann die Deutsch-französische Freundschaft durch die weitere Förderung der deutsch-französischen Jugendpolitik, auch mit Blick auf den Vertrag von Aachen von 2019, als gefestigt, ja sogar als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Als entscheidender Faktor dient dabei das vom UEG angebotene Austauschprogramm mit der neuen Partnerschule in Eaubonne.